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B I B L I O G R A P H I E

(Veröffentlichungen von Bernhard Springer):




Bernhard Springer u. Matthias Peipp:

HUGH, ICH HABE GESPROCHEN -   
INDIANER IM FILM

in: Prärie- und Plainsindianer, Koblenz 1990, S. 113-130

 


Katalog zur Ausstellung des Landesmuseums Koblenz mit Beiträgen über die Kultur der Prärie- und Plains-Indianer, die Expedition von Maximilian Prinz zu Wied und des Künstlers Karl Bodmer, über dessen Leben und Werk sowie frühe Photographien der nordamerikanischen Indianer. Die Autoren geben in ihrem Artikel einen gerafften Überblick über die Darstellung der Indianer im Film von den Anfängen in der Stummfilmzeit über die Stereotypen Hollywoods bis zu den Filmen indianischer Filmemacher von heute.



Der folgende Artikel kann unter Angabe der Quelle zu Unterrichtszwecken heruntergeladen werden.



HUGH, ICH HABE GESPROCHEN
INDIANER IM FILM *

(* Der Katalogbeitrag ist ein Resume des Buches von Bernhard Springer und Matthias Peipp, das 1997 in der HEYNE-Filmbibliothek erschienen ist)

"For most people the Native American is invisible unless he looks like the Hollywood Indian!" ** sagt Will Sampson als Kommentator der TV-Serie IMAGE OF INDIANS (USA 1979-1981) des indianischen Regisseurs Phil Lucas.

(**Für die meisten Menschen bleiben die wahren Indianer unsichtbar, außer sie treten als Hollywood Indianer auf)

Diese traurige Zustandsbeschreibung steht für das Bild der amerikanischen Ureinwohner in der populären Kultur, wie sie in Literatur, Film und Fernsehen noch bis heute Gültigkeit hat. Das Bild des Native Americans ist Resultat der historischen Entwicklung des amerikanischen Kinos. Deren Stereotypen wiederum haben ihre Wurzeln in Literatur, Drama und Groschenroman, die sich mit der Eroberung und Besiedlung des Westens durch den Weißen Mann beschäftigen.

Wie die wilden Tiere erst ausgerottet und dann als Restbestand zum Ergötzen und in sichere Distanz präsentiert werden, hat sich in unseren Köpfen ein Zoo gebildet, der gefüttert und beschickt wird von der Ware, die wir täglich auf dem Bildschirm oder der Leinwand vorgeführt bekommen. In Interviews oder Lebensbeschreibungen berichten Native Americans immer wieder von dem Kulturschock, den das Kino in ihrer Kindheit angerichtet hat und den die Filme im Fernsehen bei ihren Kindern heute noch auslösen. Sie konnten und können sich nicht mit kreischenden Wilden identifizieren, die der Kavallerie als Kanonenfutter dienen, während blauäugige blonde Helden nach dem Sieg über das Böse dem Sonnenuntergang entgegenreiten.
Tatsächlich hat sich das Wort vom toten Indianer erfüllt: nur die Leinwandrothäute sind gute Indianer, für die Lebenden interessiert sich kein Mensch.

Nur manchmal werden die in den Reservaten lebendig Begrabenen aufsässig und besetzen unverschämterweise die Schlagzeilen der Weltpresse. Dann kann es passieren, daß sich die Stereotypen langsam wandeln.
Nachhaltigeren Erfolg erzielt nur der Leinwandindianer, wenn er als Metapher für kulturelle oder soziale Bewußtseinsänderungen steht. Kevin Costners DANCES WITH WOLVES (Der mit dem Wolf tanzt, 1990) ist so ein Fall, in dem das vorgeblich authentische Bild der Prärieindianer als Vehikel für die Botschaft vom Öko-Indianer, dem geborenen Umweltschützer und Hüter der Mutter Erde, benutzt wird.




1. DAS STUMME AMERIKA
Indianergeschichten in den Western der Stummfilmzeit 1903-1929

THE GREAT TRAIN ROBBERY (1903) von Edwin S. Porter, der erste Western mit zusammenhängender Handlung, hatte einen so durchschlagenden Erfolg, daß er ein Genre begründete. Von diesem Augenblick an beherrschte es mindestens 70 Jahre lang die amerikanische Filmindustrie. Nach einem vorübergehenden Einbruch Ende der siebziger Jahre bis Anfang der neunziger Jahre war es erst wieder Costners Film DANCES WITH WOLVES, der dem Western einen neuen Aufschwung bescherte.

Als Edison 1894 die Filmproduktion aufnimmt, liegt das Massaker von Wounded Knee, die letzte große bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Rot und Weiß, gerade mal vier Jahre zurück, und in Arizona jagt die Kavallerie noch versprengte Apachenbanden. Edison beginnt ganz aus dem Geist der Jahrmarktbude mit der Dokumentation von Kuriositäten. Sie reichen von den Attraktionen der Buffalo Bill-Wild-West-Show über die Aufführung indianischer Zeremonientänze bis hin zu den Aufnahmen der grandiosen Landschaften des Westens. Das fiktionale Erzählkino etabliert sich aber erst 9 Jahre später mit THE GREAT TRAIN ROBBERY, der mit seiner Geschichte eines Eisenbahnüberfalls bereits alle wesentlichen Handlungselemente des Western beinhaltet.

Der nächste Schritt wird von D.W.Griffith eingeleitet, der beharrlich die Entwicklung längerer und kostspieligerer Spielfilme forciert. 1910 zieht Griffith wegen des besseren Klimas mit seiner Film-Crew nach Kalifornien um und 1911 errichtet Thomas Ince auf einer Ranch in der Nähe von Los Angeles seine eigene Westernstadt. Dort drehte er mit fest verpflichteten Cowboys und Indianern seine Filme und nahm so den späteren Studiobetrieb vorweg. Damit legen diese beiden Pioniere des Films den Grundstein für die Traumfabrik Hollywood.

Während im Westen die Erinnerungen an die Auseinandersetzungen zwischen Rot und Weiß noch recht frisch sind, hat im Osten die Erfindung des romantischen Bühnen-Indianers und die Mythologisierung der "Frontier" in Dramen, Romanen und zum Schluß der Dime Novels bereits eine hundertjährige Tradition. Der Film übernimmt ohne Umschweife diese Tradition und rekrutiert seine ersten Stars aus Trickreitern und Kunstschützen der Wild-West-Shows oder Rodeos. Personalisierte Legenden wie Buffalo Bill traten selbst vor die Kamera, aber auch Gesetzesbrecher wie Emmett Dalton oder der Zugräuber Al Jennings spielten in diesen frühen Werken die Rolle ihres Lebens. Soldaten und Indianer, die sich noch als Gegner aus den Indianerkriegen kannten, tauschten die Realität gegen die Fiktion ein. Und der berühmte Gesetzeshüter Wyatt Earp arbeitet als Berater für Westernfilme. Aber bald schuf sich auch der Film seine Helden selbst und diese Operetten-cowboys brauchten keine Verbindung mehr zu Realität zu haben.

Zwei wesentliche Motivkomplexe fallen bei der Betrachtung der frühen Stummfilme ins Auge: die Liebesgeschichten zwischen weißen und roten Vertretern beiderlei Geschlechts und die Heroisierung der Frontier- und Pionierlegenden von Daniel Boone, General Custer bis Kit Carson.

Liebesgeschichten sind sehr beliebt im melo-dramatischen Kino der Stummfilmzeit. Die Rollenverteilung bei Rot und Weiß ist jedoch sehr unterschiedlich. Für die rote Frau, die ihren weißen Partner zudem meist das Leben rettet, geht die Geschichte notwendigerweise schlecht aus.
Die Gründe für das Scheitern können im Sinneswandel des weißen Mann liegen oder durch das Auftauchen einer weißen Rivalin hervorgerufen werden. Für die zahlreichen Verfilmungen des Pocahonta-Mythos jener Zeit nimmt die Mesalliance Shakespear´sche Dimensionen an. Interessanterweise wird dabei aus der Häuptlingstochter eine Prinzessin, denn nur eine solche ist es wert, einem weißen Mann als Partnerin zu dienen. Der rote Mann dagegen hat bereits meistens die ersten Lektionen in Sachen Zivilisation erhalten. Allerdings wird auch er für seine Verwegenheit bestraft, die weiße Frau zu begehren. Nur in wenigen Fällen gibt es ein Happy-End für diese Art von Verbindung.

In den Liebesgeschichten und sinnbildhaft in der Figur des Halbbluts entwickelt sich der Konflikt zwischen den beiden Kulturen. Das Halbblut als Resultat der geschlechtlichen Verbindung beider Rassen hat in seiner mythologischen Bewertung bereits in der Literatur einen Wandel erfahren müssen. In den Anfängen war es in der Hinsicht positiv besetzt, daß es als Träger der jeweils besten Eigenschaften beider Rassen angesehen wurde. Mit der Zeit jedoch hat eine Umwertung stattgefunden. Vom Halbblut wurde nun angenommen, daß es die schlechten und schwachen Charakteristika beider Rassen auf sich vereinen würde (vgl. den Indianer-Jo in Mark Twains TOM SAYWER). So ist das Halbblut zu einer kulturellen Borderline-Figur geworden, von der moralisch ständig Gefährdungen ausgehen und die auch selbst gefährdet erscheint.

In den Mesalliancen und in der Figur des Halbblutes manifestiert sich der Glaube an einen Sozialdarwinismus, der davon ausgeht, daß sich die unterlegene Rasse und Kultur dem Sieger unterordnen und assimilieren muß. Diesem Konzept folgt THE VANASHING AMERICAN ( Der letzte Indianer, 1925) von George Seitz. Hier wird ein Panorama von der grauen Vorzeit bis in die Gegenwart nach dem ersten Weltkrieg entfaltet. Wie die frühen indianischen Kulturen der nächsthöheren indianischen Kultur weichen mußten, unterliegen sie nun der weißen Kultur und verschwinden am Horizont der Geschichte. Der Navajo-Krieger Nophaie durchschreitet wie der Ewige Jude die verschiedenen Phasen dieser Eroberungsgeschichte, läßt sich missionieren und ermöglicht zuletzt als christlicher Märtyrer die Assimilierung seines Volkes.

Bei dem zweiten Motivkomplex, der Glorifizierung der Legenden, ist das Bild des Indianers uneinheitlich. Zum einen müssen die weißen Helden einen einigermaßen ebenbürtigen Gegner finden, dessen Überwindung ihnen zum Ruhm gereicht, zum anderen muß der Gegner als grausamer Feind denunziert werden, um seine Ausrottung zu rechtfertigen. Bei Griffith kommt dieser Konflikt innerhalb seines Filmwerkes zum Tragen. In MASSACRE (1912) wird der Perspektive der Indianer wenigstens noch einigermaßen Rechnung getragen, in AMERICA (1924) dagegen schlägt die Darstellung in reinen Rassismus um: die Indianer sind grausam, unmenschlich und unzivilisiert.

Dies entspricht auch der allgemeinen Entwicklung nach dem ersten Weltkrieg. Inzwischen hatten die ersten Pferdeopern den "Lonesome Cowboy" und sein treues Pferd abgelöst und Filme wie THE COVERED WAGON (Der Planwagen, 1923) von James Cruze und THE IRON HORSE (Das eiserne Pferd, 1924) von John Ford breiteten Massenszenen vor dem gigantischen Hintergrund der Landschaften des Westens aus. Die zahllosen Indianer, die in endlosen Angriffswellen gegen die Wagenburgen der Siedler anbrandeten, waren nur eines der Opfer, die für den neu erwachten amerikanischen Nationalstolz und zum Ruhm des Pioniergeistes aufgebracht wurden.

Das Bild des Indianers der Stummfilmzeit 1903-1929 ist zum einen geprägt von einer ganz unterschiedlichen Qualität in der Darstellung und Ausstattung der Native Americans. In manchen Filmen laufen die Indianer wie eine Gruppe chinesischer Revuegirls durch die Landschaft (POCAHONTA: A CHILD OF THE FOREST, Edison 1908). Andere Arbeiten sind hingegen einem naturalistischen Abbildungstil verpflichtet (INDIAN RUNNER'S ROMANCE, Biograph 1909), der sich um ein hohes Maß an Authentizität bemüht.
Zum anderen reicht das Spektrum der Stereotypen von der Romantisierung als Edlen Wilden bis zur Verdammung als Grausamen Teufel.
Wie ist diese Ansammlung widersprüchlicher Indianerbilder zu erklären?

Der Stummfilm arbeitet vornehmlich mit melodramatischen Effekten. Großes Spektakel, Melodram und Sentimentalität sind beispielsweise die Merkmale, mit denen das Kino von Griffith beschrieben wird. In diesem Kino ist der Indianer als Element des Wilden, Bunten, Fremden und Andersartigen ein vorzüglicher Anlaß, Gefühle wie Anteilnahme und Mitgefühl, Angst oder Abscheu mit hochdramatischen Gesten zu zeigen.
Deshalb existieren diese widersprüchlichen Formen in der Zeit des Stummfilms nebeneinander.
Immerhin spielt der Indianer in der Anfangsphase des Films als Teil der Kuriositätenshow und als Element der melodramatischen Effekte eine durchaus eigenständige Rolle. Als erstem Amerikaner, dessen Kultur am verschwinden ist, wird ihm eine gewisse Sympathie entgegengebracht.
In der zweiten Phase gehen die positiven Eigenschaften, die dem Indianer in der Bühnenfassung vom Noblen Wilden zugeschrieben werden, über auf die Pioniere und dienen einer allgemeinen Verherrlichung des Pioniergeistes.
Die Indianer sind jetzt nur noch Überbleibsel der Vergangenheit und Verhinderer des Fortschritts und der Technik. Glorifiziert dagegen werden Buffalo Bill, Kit Carson und General Custer, in denen jene Männer gesehen werden, die die Grenze immer weiter westwärts schoben.
Einen realen Grund für diesen Rassismus gibt es nicht. Die Indianerkriege sind längst vorbei und keiner kann sich mehr einreden, in der Realität Indianer zu finden, die dem Fortschritt im Wege stehen.
Aber bezogen auf die Ideologie der Zeit, die Ideologie der Roosevelt´schen Expansionspolitik machte dieses Indianerbild wieder einen Sinn. Damit wird nach dem humanistischen Ideal des Indianerfreunds und der Funktionalisierung für die melodramatischen Adrenalinmaschine jene Funktion deutlich, die das Indianerbild bis heute bestimmen soll: der Indianer ist dankbares Objekt der jeweilig zeitgemäßen Projektion.



2. NUR EIN TOTER INDIANER ...
Der frühe Tonfilm 1930-45

Die Erfindung des Tonfilms brachte für den großen Western den Zusammenbruch und die dreißiger Jahre gehörten dem B-Western, der bei den Double Features in den Kinos an zweiter Stelle lief. Niedrige Produktionskosten, aufnahmebereite Märkte und hohe Profite zeichneten das wirtschaftliche Umfeld aus, in dem diese Art von Filmen gedieh. Stars wie Buck Jones, Ken Maynard, Tom Mix oder Tim McCoy waren die "Lonesome Cowboys", die zusammen mit ihrem treuen Pferd dem B-Western ihr Gesicht liehen.

Zwischen 1930 und der Produktion von John Fords STAGECOACH (Ringo/Höllenfahrt nach Santa Fé) im Jahre 1939, der einen Wendepunkt in der weiteren Entwicklung des Genres darstellte, gab es 1934 mit MASSACRE lediglich einen nennenswerten Western der A-Kategorie mit einem indianischen Thema. Sein Plot handelt einerseits von den vergeblichen Assimilierungsversuchen des Indianers in der Welt des weißen Mannes, andererseits von den Schwierigkeiten, mit denen sich der rote Mann in der modernen amerikanischen Gesellschaft konfrontiert sah. Zwar hat der indianische Held des Films eine College-Erziehung genossen und es in einer Wild-West-Show zu Ansehen und Geld gebracht, doch sein Stamm leidet in der heimatlichen Reservation unter betrügerischen Geschäftemachern. Er kehrt nach Hause zurück und kämpft dort erfolgreich mit seinen bei den Weißen erlangten Kenntnissen und mit seinen erworbenen Beziehungen um das Recht seines Volkes. Seine Heirat mit einer jungen Indianerin besiegelt endgültig seine Rückkehr und läßt sein vorheriges Leben als Episode erscheinen.

Die sozialkritische Note in MASSACRE von Alan Crosland steht in direktem Zusammenhang für seine Entstehungszeit. Denn in den frühen 30er Jahren, die von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Krisen geprägt waren, versuchten die amerikanischen Major-Companies an das soziale Gewissen des Zuschauers zu appellieren. In sozialen Dramen wie I AM A FUGITIVE FROM A CHAIN GANG (Jagd auf James A., 1932) oder WILD BOYS OF THE ROAD (Kinder auf den Straßen, 1934) wurde mehr oder weniger der Ruf nach gesellschaftlichen Reformen laut und man warb um Verständnis für die Probleme von Minderheiten.

Abgesehen von diesen wenigen Sonderfällen, die sich um ein relativ differenziertes Indianerbild bemühten, war der Indianer auf der Leinwand im Kino dieser Ära zum überwiegenden Teil eine wilde, ungezähmte und grausame Bestie. In den meisten Fällen stellte er für die in den Filmen gezeigten Pioniere und Siedler eine ständige Gefahr dar, die sie auf ihren Weg nach Westen begleitete. Der Indianer war Bestandteil der Landschaft des Westens, die es zu durchqueren und zu erschließen galt. Auf dieselbe Weise, wie die Siedlertrecks Sandstürme oder Klapperschlangen ertrugen, gewaltige Wüsten oder scheinbar unüberwindbare Gebirgsketten durchquerten, mußten sie auch Indianerüberfälle abwehren. Sie waren wie Naturereignisse inszeniert und die Indianer verkamen zur gesichtslosen Masse.
STAGECOACH von John Ford 1939 macht dieses Bild des B-Western für den A-Western hoffähig. In seiner Geschichte einer Postkutschenfahrt an die Grenze der Zivilisation drohen ständig Überfälle durch Apachen, die scheinbar aus dem Nichts plötzlich auftauchen und ebenso schnell wieder verschwinden. Allerdings findet an diesem Wendepunkt auch eine qualitative Veränderung statt. Die Indianerüberfälle sind eher eine unsichtbare Bedrohung, die die Mitglieder der Reisegesellschaft in ihren wesentlichen Charaktereigenschaften herausarbeitet.

Als 1939 mit dem Überfall Hitlers auf Polen der zweite Weltkrieg beginnt, wird eine neue Phase in der Geschichte des Westerns eingeleitet. Nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbour 1941 und dem Eintritt der USA in den Krieg stellt die amerikanische Filmindustrie ihre Produktion um: der Ausstoß an Western nimmt zugunsten des propagandistischen Kriegsfilm rapide ab. Die Stärkung der Kampfmoral, die Rechtfertigung der eigenen politischen Position und die Denunzierung des Feindes sind Botschaften, die durch das Genre des Kriegsfilms dem amerikanischen Kinobesucher direkter zu vermitteln sind als über dem Umweg des Western.

THEY DIED WITH THEIR BOOTS ON (Sein letztes Kommando, 1942) von Raoul Walsh ist einer dieser spärlichen Versuche, über den Umweg des Western Propaganda zu machen. Der Film erzählt von den Anfängen der militärischen Laufbahn des berühmt-berüchtigten General George Custer bis zu seinem Tod in der Schlacht bei Little Big Horn gegen die Sioux. Dabei wurde von der Seite des Studios großen Wert darauf gelegt, den General als Nationalhelden hochzustilisieren. Er sollte den G.I.`s, die in Europa kämpften, ein Vorbild sein. Danach starb Custer den Märtyrertod für die Prinzipien und Ideale des bedrohten "American Way of Life". Es war daher ganz selbstverständlich, daß die Indianer in diesem Film besonders schlecht wegkamen, denn sie sollten im metaphorischen Sinne ein Beispiel für die richtige Behandlung der "Krauts" abgeben. Das Ergebis ist eines der schlimmsten Auswüchse von Indianerhass in der amerikanischen Filmgeschichte, das vor allem von der historischen Wahrheit meilenweit entfernt ist. Custer´s Niederlage, die in Wirklichkeit seiner militärischen Inkompetenz und seines krankhaften Ehrgeizes zuzuschreiben ist, wird im Film entschuldigt, indem man ihn als Opfer widriger Umstände erscheinen läßt. Seine Greueltaten und sein Ehrgeiz, die Indianer auszurotten, bleiben zugunsten der Botschaft des Films ausgespart. Denn den G.I.´s auf den europäischen und nordafrikanischen Schlachtfeldern sollte gegen die Nazis die entsprechende moralische Überlegenheit vermitteln werden: bis zum letzten Mann für die Freiheit der westlichen Welt.




3. ROT BLEIBT ROT
50er und 60er Jahre

Das Fernsehen Ende der 40er Jahre und die nationalen europäischen Kinobewegungen Ende der 50er Jahre begannen die Vorherrschaft der Hollywood-Studios in Frage zu stellen. Anfang der 60er Jahre fanden die interessanten Neuerungen an anderen Orten statt, so beim Free Cinema in England oder der Nouvelle Vague in Frankreich. Für Hollywood waren es Jahre der Stagnation, des Niedergangs und des Umbruchs. Weiteren Einfluß hatten der Kalte Krieg, der bald nach Kriegsende einsetzte und mit dem Mauerbau 1961 seinen Höhepunkt erreichte, und die Hexenjagd gegen kommunistische Unterwanderung in der McCarthy-Ära. 1950-1954 standen viele Regisseure, Drehbuchautoren Produzenten und Schauspieler auf der schwarzen Liste, was einem Berufsverbot in Hollywood gleichkam.
Trotzdem oder gerade deshalb wurden die Nachkriegsjahre zur Blütezeit des Western.
John Wayne, Randolph Scott, James Stewart, Glenn Ford, Richard Widmark, Kirk Douglas, Burt Lancaster, Henry Fonda, Gregory Peck oder Gary Cooper, alle die großen Heroen des Westerns kamen in dieser Zeit zu Weltruhm. Der Western brachte seine großen Klassiker hervor. Er wird veredelt (vgl. HIGH NOON (Zwölf Uhr mittags, 1952) von Fred Zinnemann) und endgültig zur Kunstform erhoben. Aber die ersten Parodien, die entstehen (z.B. CAT BALLOU (1965)), zeigen bereits an, daß das Genre seinen Höhepunkt überschritten hat und der Niedergang beginnt.

Die Epoche ist beispielshaft mit dem Namen John Ford verbunden, an dessen Werk sich die Metamorphose des Indianerbildes exemplarisch nachzeichnen läßt.
Ford drehte Indianergeschichten in der frühen Stummfilmzeit, verherrlichte die Frontier und den Pioniergeist (IRON HORSE), etabliert mit seinen Kavalleriewestern den klassischen männlichen Heroen homerischer Größe, demontierte ihn in THE SEARCHERS (Der schwarze Falke, 1956) und versuchte mit CHEYENNE AUTUMN (Cheyenne, 1964) eine Art Wiedergutmachung an den im Western zu Massen vergossenen Indianerblutes.

Zuerst einmal verändert sich das Bild der Indianer in dieser klassischen Periode nur unwesentlich. Weiterhin verlassen sie als rachedürstige Teufel ihre Reservationen (THE HALF-BREED (An der Spitze der Apachen, 1952), überfallen als mörderisches Gesindel Wagentrecks und unschuldige Siedler (THE CARIBOO TRAIL (Todesschlucht von Arizona, 1950), ARROWS IN THE DUST (Pfeile in der Dämmerung, 1954)),
entführen weiße Frauen und Kinder (COMANCHE (Um jeden Preis, 1956)), und werden dafür von weißen Helden ungerührt wie in der Schießbude abgeknallt (DISTANT DRUMS (Die Teufelsbrigade, 1951)). Und im letzten Moment reitet die rettende US-Kavallerie ein.

Doch langsam beginnen sich in Nuancen Verschiebungen abzuzeichnen. Das Verhältnis zwischen Indianern und Soldaten in Fords Kavalleriewestern sind hierfür ein schönes Beispiel.
Am Anfang ist die Kavallerie die Rettung in letzter Minute (vgl. STAGECOACH, 1939) - ein traditionelles Motiv, das bald nur noch in Komik und Parodie einen Effekt erzielt. Am Ende haben sich die Verhältnisse umgedreht: in CHEYENNE AUTUMN (1964) sind die Indianer die Protagonisten und die Soldaten die Feinde. Dazwischen liegen die Western der sogenannten Kavallerie -Trilogie FORT APACHE (Bis zum letzten Mann, 1948), SHE WORE A YELLOW RIBBON (Der Teufelshauptmann, 1949) und RIO GRANDE (Rio Grande, 1950)), die exemplarisch für das Bild der Indianer in dieser Epoche gelten können.

In FORT APACHE geben die Apachen von Häuptling Cochise nur den Hintergrund ab, vor dem John Ford das soldatische Leben und in der Parallele zu General Custer die Demontage einer Legende entwickelt. Das Thema des neuen Befehlshabers, der arrogant, verbittert und karrieresüchtig seine Truppe in eine aussichtslose Situation manövriert, würde auch in jeden beliebigen Kriegsfilm passen. Ungewöhnlich jedoch ist, daß ein indianischer Führer einem Offizier in militärischer Taktik überlegen erscheint und die Indianer zum Schluß den richtigen Mann zum Nachfolger des Regiments krönen.

Die Niederlage von General Custer am Little Bighorn River (25.06.1876) verbreitet zu Anfang von SHE WORE A YELLOW RIBBON eine wahre Hysterie im Südwesten. Die Kavallerie wird als kleine Schar tapferer Männer geschildert, die gegen eine Übermacht von 10.000 Indianern die Stellung hält. Tatsächlich beginnen die Indianer zu rauben, morden und plündern. Ein skrupelloser Krämer versorgt sie zudem mit Winchestergewehren und der große Aufstand scheint bevorzustehen. Da löst Captain Brittles die Situation ohne Blutvergießen mit einem simplen Indianertrick: er treibt den vereinigten Indianerstämmen ihre Ponyherde davon. Neben der gezeigten Grausamkeit der Indianer kommt die ihnen zugeschriebene zweite Eigenschaft zum Tragen: ihre Dummheit. Weil sie zu stolz sind, um zu Fuß zu gehen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als ihren Ponys ins Reservat zu folgen und Captain Brittles wird als Retter des Westens gefeiert.

In der Geschichte von der Eroberung des nordamerikanischen Kontinents werden zwei Eigenschaften zu Nationaltugenden erhoben: Pioniergeist und Individualismus. Letzterem erweisen die Kavalleriewestern Fords ihre Referenz.
In FORT APACHE sah Captain York nur unbeteiligt zu, wie Lieutenant Colonol Thursday à la Custer seine Soldaten zur Schlachtbank führt, in SHE WORE A YELLOW RIBBON handelt Captain Brittles bereits eigenmächtig, allerdings innerhalb seiner ablaufenden Dienstzeit. In RIO GRANDE hingegen verfolgt Lieutnant Colonel Kirby die Apachen außerhalb des Staatsgebietes auf mexikanischen Boden und riskiert dafür ein Verfahren vor dem Kriegsgerichts.

Individualismus bleibt somit eine Eigenschaft des weißen Mannes, während die Indianer weiterhin als amorphe Masse, dumm und grausam auftreten. Lediglich ihren geistigen und militärischen Führer wird Respekt gezollt. Doch die einzigen guten Indianer sind die alten und weisen Häuptlinge, die wie Häuptling Pony-That-Walks in SHE WORE A YELLOW RIBBON Captain Brittles mit "Halleluja" empfangen.

Die Erfahrungen mit Nazideutschland aber haben auch hellhörig gemacht gegenüber jeglichen Formen von Rassismus. BROKEN ARROW (Die gebrochene Pfeil, 1950) von Delmer Daves gilt als der erste Western, der eine neue Darstellung in dem Konflikt zwischen Weiß und Rot einschlägt, die rassistischen Vorurteile abbaut und damit einen Umschwung im Indianerbild des Western einleitet.
Die nachfolgenden Indianerwestern wie APACHE (Massai, der große Apache, 1954), THE WHITE FEATHER (Die weiße Feder, 1955) oder THE LAST WAGON (Der letzte Wagen, 1956) und CHEYENNE AUTUMN (Cheyenne, 1964) werden in dieser Tradition gesehen.

Bereits mit der Eingangssequenz wird das Grundthema entwickelt. Der ehemalige Soldat Tom Jefford (James Stewart) findet einen verwundeten Apachenjungen und statt ihm, den er für "weit gefährlicher [hält] als eine Schlange", den Skalp abzuziehen, pflegt er ihn gesund. Über das Kindlichkeits-Schema oder auch aus bloßem Mitleid wird der andere Zugang zu den Indianern eröffnet. "Die Apachen sind wilde Tiere, hatte man mir gesagt." Bei seinem ersten Zusammentreffen mit einem Angehörigen dieses verhaßten Volkes kann er dagegen aus eigener Anschauung feststellen, daß der Junge auch nur ein Mensch ist wie er selber. Über die Identität - nach dem Muster: auch ein Apachenjunge muß pünktlich daheim sein, sonst sorgen sich Vater und Mutter um ihn - wird der Wille und Vorsatz zum Verstehen des Anderen und seiner Kultur eingeleitet. Das geht über die bisher in den Filmen gezeigten Affekte wie Mitleid und Sympathie für ein verschwindendes Volk und seine bunte Folklore weit hinaus. Es ist auch mehr als der in Fords Kavalleriewestern gezeigte Respekt gegenüber den großen indianischen Kriegsführern. Zum ersten Mal macht sich ein weißer Held den Ansatz von Anthropologen zu eigen, um Zugang zu den Apachen und ihrem Häuptling Cochise zu erlangen. Tom Jeffords nimmt Unterricht bei einem "zivilisierten" Apachen, um Sprache, Gebräuche und Riten der Indianer zu lernen. Mit diesem Wissen erwirbt er nicht nur den Respekt von Cochise, er kann ihn zudem von seinen lauteren Absichten überzeugen und zu einem Friedensvertrag überreden.
Mit BROKEN ARROW erhalten die Indianer zum ersten Mal ein eigenständiges kulturelles Leben. Trotzdem bleibt die Darstellung noch Mittel zum Zweck: das bessere Wissen um die Lebensumstände ermöglicht eine friedlichere Assimilation und Eingliederung in die weiße Zivilisation. Und nicht nur die sentimentale Zeichnung der Liebesbeziehung zwischen dem Postreiter Jeffords und dem Apachenmädchen ist Ausdruck für eine neue, romantisierende Stereotypisierung. In der Begegnung mit dem großen Führer Cochise entsteht das neue Bild vom "Guten Indianer": Die Indianer honorieren wahre Mannestugenden wie Mut, Furchtlosigkeit und Stolz. Sie verachten Feigheit, Hinterhältigkeit und Schmeicheleien. Sie lieben die Wahrheit über alles und halten ihr Wort, so oft sie es geben. Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und handeln dementsprechend mit alttestamentarischen Strafen. Und die Führer wie Cochise haben ihre Krieger unter Kontrolle, während auf Seite der Weißen Friedensabsichten und Vertragszusagen vom Mob, Banditen oder skrupellosen Geschäftsleuten hintergangen werden.
Hinter diesem Bild vom Guten Indianern mit all seinen positiven und alttestamentarischen Tugenden verbirgt sich die Sehnsucht nach einer vermeintlich besseren alten Zeit, in der hierarchische Strukturen und ein verbindlicher Moral- und Sittenkodex für Recht und Ordnung sorgten. Die Utopie vom Guten Indianer wird dem Sittenverfall und dem vermeintlichen Untergang des Abendlandes gegenübergestellt.

 



4. COWBOY UND INDIANER
Winnetou, Defa und Spaghettis

Die Schreiber unter den Stalingradheimkehrern erfanden Perry Rhodan und verlegten das, was nicht mehr opportun war in die Weite des Weltalls: Weltmachtsgelüste und Eroberungsdrang. Der Nachkriegsfilm verlegte sich aufs Unverbindliche: Heimatfilm und Sexfummel - und dann kam Winnetou!

In Bad Segeberg gibt Pierre Brice die Häuptlingswürde in Erbfolge weiter und die Harald-Reinl-Gedächtnisindianer garantieren Einschaltquoten in alle Ewigkeiten. DEFA-Indianer fochten für das Recht auf Arbeit und Stadtindianer fanden unterm Pflaster den Strand. Von Friedrich Engels bis zu den Nazis, vom Schwarzen Block bis Motzki: Deutschland Gestern und Heute, Ost und West sind vereint als eine Gemeinde romantischer Indianerfreunde. Gemeinsam schwärmen sie vom Edlen Wilden, der Verkörperung des Aufrechten, Gesunden, Starken und Schönen.

Und immer siegt in den Karl-May-Verfilmungen der 60er Jahre das Gute. Der Westen wird sozusagen nochmal gewonnen und erobert, um das Böse aus der Welt zu schaffen. Das funktioniert jedoch nur, weil die Sicht der Dinge eingegrenzt ist, wie bei einer Modelleisenbahn. Es sind immer nur lokale Konflikte, die in den Filmen entbrennen. Zwar werden die negativen Begleitumstände des Zivilisationsprozesses wie die Habgier der Weißen, Vertragsbrüche oder karrieresüchtige Offiziere dargestellt. Aber sogleich tauchen die Präriepolizisten Old Shatterhand und Winnetou auf und verhindern mit deutscher Gründlichkeit das Schlimmste. Und statt der Kavallerie kommen in letzter Minute die Indianer angeritten.
Außerdem sind die amerikanischen Nationaltugenden Pioniergeist und Individualismus durch die deutschen Tugenden von Fleiß und Rechtschaffenheit ersetzt.

1963 begann das Winnetou-Abenteuer mit DER SCHATZ IM SILBERSEE. WINNETOU I, II und III sowie DER ÖLPRINZ kennzeichneten 1965 den Höhepunkt. Und 1968 war mit WINNETOU UND OLD SHATTERHAND IM TAL DES TODES zeitgleich mit APO und Studentenbewegung Schluß. Dazwischen hatte sich sogar 1964 Robert Siodmak mit der SCHATZ DER AZTEKEN an dem Genre versucht.

Die Antwort des Ostens auf Pierre Brice hieß Gojko Mitíc, der ausnahmslos alle Indianerhelden, angefangen bei DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN (1965) bis ULZANA, DER UNBESIEGTE HÄUPTLING (1974) spielte. Die DEFA-Produktionen erreichten allerdings nicht die "Qualität" der Winnetou-Filme, außer dem teilweise in Kuba gedrehten Film OSCEOLA - DIE RECHTE HAND DER VERGELTUNG (1971). Auch bei den DEFA-Produktionen sind die Konflikte begrenzt, überschaubar und zum Guten lösbar. Allerdings kann man sich entsprechend der Ideologie, Amerika des Imperialismus und Völkermordes an der Urbevölkerung zu bezichtigen, eine größere Genauigkeit im historischen Zusammenhang erlauben. Und der gute Indianer überzeugt nicht wie in den Western oder bei Winnetou seine roten Brüder davon, das kriegslüsternde Treiben zu unterlassen und Frieden mit den Weißen zu schließen, sondern ruft sie zum Widerstand auf nach dem Motto: Indianer aller Länder, vereinigt euch.
Bei der Ausstattung holt man sich zwar versierte Ratgeber. Dafür fallen ostdeutsche Sprachregelungen wie Geheimnismann für Medizinmann oder Dragoner für Kavallerie auf, sowie eine Dramaturgie, die sehr an Bühnenaufführungen erinnert. Das Merkwürdigste aber sind die Charaktere der Indianer. Sie denken und handeln genau so gradlinig rational wie ihre weißen Gegenspieler und unterscheiden sich in ihrem Denken von diesen nur durch ihr Outfit. Und wenn sie wie in OSCEOLA das Recht auf Arbeit einfordern, dann beschleicht einen der Verdacht, den guten sozialistischen Menschen der Zukunft im Faschingskostüm vorgeführt zu bekommen.

Beeindruckt von dem Erfolg ihrer fransentragenden teutonischen Nachbarn ließ sich Cinecitta nicht lumpen. Zuerst stiegen die Italiener in Coproduktionen wie SAMSON UND DER SCHATZ DER INKAS (1964) ein, in der sie ihre langjährige Sandalenfilm-Erfahrung einbrachten. Dann konnte Sergio Leone mit PER UN PUGNO DI DOLLARI (Für eine Handvoll Dollar, 1964) und dem Importamerikaner Clint Eastwood den Italo-Western als neue Welle etablieren. Die Stilisierung einer kalten, anarchischen Welt mit einem coolen, gefühlsarmen Helden, die beides dem moralischen Bild des amerikanischen Western der 60er Jahre widersprachen, ebneten den Weg für einen neuen Heldentypen: den wortkargen Rächer, der durchaus auch eine rote Haut tragen konnte wie Burt Reynolds in Sergio Corbuccis NAVAJO JOE (1966). Schließlich hatte sich ja schon Clint Eastwood in FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR einen Poncho übergestülpt.

In Deutschland selbst gab es in der Folge nur noch einzelne Indianerfilme, die dafür um so engagierter mit dem Winnetou-Klischee aufräumten, so TSCHETAN, DER INDIANERJUNGE (1972) von Hark Bohm oder DIE FARBE DER INDIOS (1987) von Klaus Lautenbach.

 



5. PLASTIC-INDIANER
ethnografischer Transvestismus der 7oer Jahre

Studentenunruhen und Bürgerrechtsbewegung,
Black Panther und Frauenbewegung, Vietnamprotest und Hippiebewegung - in dieser Zeit entsteht das, was allgemein als Indianerfilm bezeichnet wird: Filme, in denen Indianer zu Helden der Handlung gemacht werden oder vorzugsweise deren Perspektive folgen. Waren Filme wie BROKEN ARROW noch die Ausnahme, dann bilden sie jetzt ein eigenständiges Genre.

Martin Ritt, Arthur Penn, Sidney Pollack, Robert Aldrich oder Robert Altmann, alle wichtigen emanzipatorischen und "politischen" Regisseure, die die 60er Jahre geprägt hatten, haben ihren Indianerfilm gemacht.
Paul Newman, Robert Blake, Dustin Hoffman, Richard Harris, Candice Bergen, Charles Bronson und Robert Redford spielen Indianer oder Weiße, die es vorziehen, in der anderen Kultur zu leben. Als Deserteure des American Way of Life halten sie die indianische Kultur für die Bessere.

Es begann mit einem jungen Mann, der schweigsam und stolz die Schmähungen einer sich überlegen fühlenden weißen Gesellschaft über sich ergehen läßt. Wie in STAGECOACH ist eine Kutsche unterwegs. Doch die Gefahr geht nicht von blutrünstigen Apachen aus, sondern von weißen Banditen, die die Gier nach Geld treibt. In dieser Situation drehen sich die Verhältnisse um. Der schweigsame Mann bewegt sich in der Ausnahmesituation mit der Geschmeidigkeit einer Raubkatze und weiß als einziger, wo es langgeht, während die kulturellen Sieger als Trampel durch die Wüste stapfen. Als Weißer hat er das Leben unter den Indianern gewählt. Doch aus Liebe zu einer Frau begeht er zwei Fehler und muß dafür sterben: HOMBRE (Man nannte ihn Hombre, 1967) von Martin Ritt. Das erste Mal verläßt er das Reservat, seine von ihm gewählte Heimat. Das zweite Mal weicht er vom Handeln ab, das durch das indianische Denken geprägt ist.

Diese fremd wirkenden Charakterzüge eines ungewöhnlichen Helden ließen zum ersten Mal Schlüsse auf eine fremde seltsame Welt zu, für deren Denken man sich nie wirklich interessiert hatte.

Mit A MAN CALLED HORSE (Ein Mann, den sie Pferd nannten, 1970) versuchte Elliot Silverstein diese Welt mit ihren Liedern, Riten und Gebräuchen zu rekonstruieren. In seiner Western-Parodie CAT BALLOU (1965) ließ er einen gebildeten Indianer auftreten, der ständig die Grammatikfehler seiner weißen Mitbürger verbessert - eine Parodie auf die Hebräisch oder Pidgin-Englisch sprechenden Indianer Hollywoods. Konsequenterweise sprechen die Sioux in HORSE zum ersten Mal ihren eigenen Dialekt.

Die Stilisierung des schweigsamen Helden, wie sie Martin Ritt in HOMBRE als Gegensatz zur Geschwätzigkeit der weißen Helden vorgenommen hatte, zeitigte Folgen. Sie eignete sich vorzüglich für die Wiederbelebung eines Macho-Typen, der als Fossil im Western jener Zeit eigentlich nicht mehr überlebensfähig war. Dort kamen die alten weißen Helden nicht mehr mit der neuen Welt zurecht, zweifelten an sich selbst oder waren als Psychopathen von den Gegenspielern kaum noch zu unterscheiden. Während im Western der späten 60er Jahre die alten Gestalten homerischer Größe zu Antihelden mutierten, feierte der Rächer der Witwen und Waisen in den Indianerfilmen seine Auferstehung. Mit CRY BLOOD APACHE (Schreit, wenn wir verrecken, 1970) oder Charles Bronson in CHATOS LAND (Chato´s Land, 1972) war eine neue Stereotype geboren: der Plastic-Indianer.

Zu so etwas wie einer Biographie dieser synthetischen Figur des Plastic-Indianers wurde LITTLE BIG MAN (1970) von Arthur Penn. Dustin Hoffman durchläuft alle Stufen der Zivilisation, begegnet den historischen Figuren des Wilden Westens von Wild Bill Hickok bis Custer. Als eine Art Simplizissimus der Neuen Welt erfährt er an seinem eigenen Leib alle die Mythen, Standardsituationen und Motive des Genres. In burlesker Form und ganz in der Tradition der in Nordamerika so beliebten TALL TALES werden Entmythologisierung und ethnologhischer Blick miteinander verbunden und neue Mythen über das indianische Leben geschaffen. Fragt man Native Americans nach LITTLE BIG MAN, dann haben sie nur ein spöttisches Lächeln für dieses Indianerbild übrig und verweisen auf Szenen wie die mit dem schwulen Indianer, die mehr mit der Emanzipationsbewegung der Homosexuellen dieser Jahre zu tun hat, als mit der indianischen Kultur. Damals aber war LITTLE BIG MAN ein weltweiter Kinohit und von der Kritik wurden Entmythologisierung der Legenden und die Chronik indianischen Lebens gelobt.

Was von dieser Rezeption heute noch übriggeblieben ist, ist ein Transvestitentum im ethnologischen Gewand. Es wird immer wieder herausgestellt, daß sich das Indianerbild im Film dieses Jahrzehnts radikal geändert hat und Authenzität und historische Genauigkeit eingeführt wird. Tatsächlich aber haben die Indianerfilme dieser weißen Regisseure mehr mit dem Denken und der Ideologie ihrer Generation zu tun, mit Marx, Freud oder der sexuellen Revolution. Indizien für die Projektion sind, daß kein einziger dieser Filme in der Gegenwart spielt und daß in den Indianerfilmen der Kultur der Plainsindianer der Vorzug gegeben wird.
Die Indianer stehen hier für utopische Modelle, Emanzipationsbewegungen weißer Minderheiten und politische Aufklärung.

Charles Bronson, der in CHATOS LAND für seine Verfolger genau so unsichtbar bleibt wie Charley in der grünen Hölle Südostasiens, hatten mehr mit Vietnam zu tun als mit den Native Americans.
Und die Darstellung der Grausamkeiten der Indianerkriege (SOLDIER BLUE (Das Wiegenlied vom Totschlag, 1970) hatte mehr Gemeinsamkeiten mit dem My Lai-Massaker der G.I.´s als mit der Besinnung auf den Völkermord an den Indianern. Die Anklage von Profitgier und bigottem Missionarstums (CRY BLOOD APACHE) bezog sich eher auf die Kritik an den christlichen Kirchen statt auf die Anklage des Genozids.
Und das Leben Robert Redfords in der Wildnis als JEREMIAH JOHNSON (1972) diente stärker dem Traum vom nicht-entfremdeten Leben in Landkommunen als dem Schutz des traditionellen Lebens der Stämme.
Die Entmythologisierung der weißen Eroberer (so in Altmans BUFFALO BILL AND THE INDIANS OR SITTING BULL´S HISTORY LESSON (Buffalo Bill und die Indianer, 1976)) hatte mehr mit der Entlarvung hohlen Autoritäsglaubens in der weißen Gesellschaft als mit der Wiedergutmachung des an den Ureinwohnern angerichteten Unrechts zu tun.

 



6. WEISSE INDIANER - ROTE NEGER
Die Stereotypen in Hollywoods Traumfabrik

Die beiden wesentlichen Stereotypen vom "Edlen Wilden" und vom "Wilden Teufel" sind bereits von Anfang an da, vom ersten Kontakt der Alten mit der Neuen Welt. Das bezieht sich natürlich nur auf die Darstellung aus der Sicht der Eroberer. Kolumbus selbst preist in seiner ersten Begeisterung die Eingeborenen als die besten Menschen auf der Welt: "Es kann unmöglich jemals gutherzigere, selbstlosere und dabei so schüchterne Geschöpfe gegeben haben wie jene Eingeborenen" (21.12.1492) Doch wenig später interpretiert er ihre Freigiebigkeit und Großzügigkeit als Dummheit, da sie belanglose Dinge wie Glasscherben, Perlen oder Münzen gegen wahre Schätze tauschen, ihre Furchtsamkeit und Scheu als Feigheit vor dem Feind, und ihre Liebenswürdigkeit schlägt in Grausamkeit um. Aus den besten Menschen im paradiesischen Zustand der Unschuld werden Barbaren, die Kannibalismus praktizieren, Menschenopfer darbringen, und Polygamie und Homosexualität frönen. Als Kolumbus auf seiner dritten Reise vor Jamaika Schiffbruch erleidet, sieht er sich "umgeben von einer Million Wilden voller Grausamkeit, die uns feindlich gesinnt sind" ("Carta rarísima" 7.7.1503).
Bereits mit den Schilderungen Kolumbus sind alle wesentlichen Merkmale von der Freizügigkeit bis zur Grausamkeit vorgegeben. Das gilt auch für die Abfolge von Begeisterung zur Verteufelung, vom Noblen Wilden zum blutrünstigen Apachen, wie wir sie in der Entwicklung des Indianerbildes vom Stummfilm über den frühen Tonfilm bis zum klassischen Western gesehen haben.
Das wichtigste Merkmal für das Bild vom Edlen Wilden ist für die materialistisch eingestellte westliche Kultur die Freigiebigkeit, Großzügigkeit und Gütergemeinschaft der indianischen Gesellschaften. An ihr entzünden sich Habgier, erotische Phantasien aber auch Modelle und Utopien von einer besseren Welt.
Die ersten erotischen Fotografien schützten ethnografisches Interesse vor, um Eingeborenenfrauen mit nackten Brüsten abzulichten.
Abenteuerfilme, sofern sie in südlichen Gestaden spielen, und das tun sie mit Vorliebe, bedienen sich beim Mythos und Motiv der Freizügigkeit.
In PAPILLON (1973) nimmt z.B. Steve McQueen die Gastfreundschaft eines in paradiesischer Unschuld lebenden Karibikstammes gern in Kauf, einschließlich der sexuellen Verfügbarkeit über die angebotenen knackigen Indianermädchen.

Mit der steigenden Akzeptanz von indianischer Kultur und dem Wunsch nach Verstehen dieser anderen Kultur, die wie bei BROKEN ARROWS über die Operation der Gleichsetzung und Identität gesteuert wird, werden indianische Merkmale zunehmend verinnerlicht und in eigene Kontexte übernommen. Das bedeutet, daß sie in anderen Genres vorkommen und zunehmend zu deren Motivrepertoire zählen. Zur Verinnerlichung werden die bekannten Eigenschaften verwendet wie Indianer=Wild=Fremd=Weiblich und sie können in dem Zusammenhang als Bilder für eigene innere Zustände der Helden erscheinen, als Beschreibung des Alter Ego.

So führten die Entdeckung der Indianer in den 70er Jahren zu einer Befruchtung diverser Genres. In Erotikfilmen wie BIG BEAVER (1970) oder KATE AND THE INDIANS (1981) fand man Gefallen am Spiel mit Fransen.
In Action- und Horrorfilmen wie THE WOLFEN (Wolfen, 1981) oder ALTERED STATES (Der Höllentrip, 1980) gaben zum Teil haarsträubende Versatzstücke indianischer Mythen, Drogen oder Kulte den richtigen Nervenschauer ab. In Cop-Filmen wie RENEGADES (Renegades - Auf eigene Faust, 1989) erfrischten Indianer als Partner die doch schon ziemlich ausgelutschten Gespanne.

Als Beispiel für die Anregung zu weltverbesserenden Utopien mag der Hinweis auf Friedrich Engels genügen, der über seinen Sekretär Kunde von der Kultur der Irokesen Nationen erhielt. Das wiederum hatte nicht unwesentlichen Einfluß auf sein mit Karl Marx verfaßtes Kommunistisches Manifest. Tier- und Umweltschützer von heute dagegen verklären die Native Americans zu geborenen Naturschützern und Hütern der Mutter Erde.

 



7. AUF DER SUCHE NACH DEM VERLORENEN PARADIES
Indianerfilme der 80er

Ökologie- und Friedensbewegung, Frauenemanzipation und Dritte-Welt-Initiativen, das waren die Stichworte der 80er Jahre. Die 78er Generation wollte nicht auf die Weltrevolution der 68er warten, sondern im Hier und Jetzt etwas verändern. Eine alternative Kultur und zweite Wirtschaft entstand mit Kooperativen, Wohngemeinschaften, alternativer Ernährung, Kinderläden und alternativen Schulen. Für das alternative Leben suchte und fand man in anderen Kulturen, Religionen und Philosophien Anregungen, die man gleichzeitig zur Zivilisationskritik an der westlichen Konsum- und Wachstumsgesellschaft nutzte. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß die Ethnologie zum Modestudium jener Zeit wurde. Und der experimentelle Dokumentarfilm KOYAANISQUATSI von Godfrey Reggio, entstanden im entsprechenden Zeitraum 1976-1982, war mit seiner Kritik an der Ausbeutung der Erde und den Krankheiten des urbanen Lebens ganz ein Kind dieser Zeit.

Als Repräsentant des ethnologischen Blicks kann WINDWALKER (Das Vermächtnis des Indianers, 1980) von Keith Merril gelten, der in der Alternativbewegung der 80er Jahre einen gewissen Kultstatus erlangte. Zum ersten Mal spielte ein Film ausschließlich in der indianischen Welt (kein einziger Weißer kommt darin vor), mit indianischen Schauspielern und - was das ungeheuerlichste war - ausschließlich in indianischem Dialekt (Cheyenne). Das führte -im Gegensatz zu Costners WOLVES genau zehn Jahre später- dazu, daß die Nominierung zum Oscar abgelehnt wurde, weil der Film in einem nicht-amerikanischen Dialekt gehalten sei, als amerikanischen Produktion aber nicht in der Sparte "ausländischer Film" geführt werden könne.
Erzählt wird die Geschichte eines alten Mannes, der seine Familie vor der Verfolgung durch feindliche Crow rettet und dabei gleichzeitig seinen verlorenen Sohn wiederfindet, nach dem er sein ganzes Leben gesucht hatte. Nicht nur das stark religiöse Motiv von der "Rückkehr des verlorenen Sohnes", auch die Verherrlichung des Ideals der Familie lösten teilweise Verwirrung aus, kamen aber andererseits der einsetzenden esoterischen Bewegung entgegen. Ungeteilt positiv aber wurden die authentische Darstellung indianischen Lebens und Denkens aufgenommen. Zum ersten Mal machte sich ein Film in dieser Ausschließlichkeit die Perspektive der aussterbenden Kultur zu eigen.

Ein Nachteil war, daß WINDWALKER wie die Indianerfilme der 70er Jahre in der Vergangenheit spielte. POWWOW HIGHWAY (1988) von Jonathan Wacks dagegen widmete sich ganz der Gegenwart.
Zwei junge Cheyenne, der indianische Aktivist Buddy Red Bow (A Martinez) und der Träumer Philbert Bono (Gary Farmer) finden sich durch Zufall oder Schicksal in einem alten `64er Buick auf dem Highway wieder, in einem Road Movie auf dem Weg vom Reservat in Montana in den Süden nach Santa Fé. Der eine will seine Schwester aus dem Gefängnis befreien, der andere durch den Besuch der geheiligten Stätten seines Volkes zu einem geistigen großen Krieger werden.

Dabei wird ein grundsätzlicher Konflikt deutlich, der unter den Native Indians jener Jahre vorherrschte. Auf der Suche nach einem Weg des Überlebens bewegen sie sich zwischen politischem Aktivismus bis zur Militanz und wiedergewonnener Spiritualität, zwischen traditionellem Leben und moderner Zivilisation. Auf diesem Weg werden in POWWOW HIGHWAY alle aktuellen Probleme und Ereignisse der letzten zwei Jahrzehnte angesprochen: die Ausbeutung der Bodenschätze auf den Reservationen und die damit einhergehende Verseuchung des Bodens, der Luft und des Wassers; die Verfolgung durch die Bundesbehörden und die gewalttätigen Auseinandersetzungen auf der Pine Ridge Reservation. Beiden Krieger, den Blackfoot-Halbblut A Martinez und den Mohawk Gary Farmer werden wir in den Indianerfilmen der 90er Jahre noch öfter begegnen, genau wie John Trudell, Floyd Red Crow Westerman oder Graham Green, der hier einen zerstörten Vietnamveteranen auf dem Powwow in der Pine Ridge-Reservation spielt.

Während die unabhängigen Produktionen in den 80er Jahren neue Wege bestreiten und gewissermaßen die aktivistischen und politischmotivierten Dokumentarfilme der 70er Jahre in Fiktion umsetzen, herrscht bei den Majors weiterhin die Folklore vor.

 



8. REDSPLOITATION
Indianerfilme der 90er Jahre

Herr Bogner kreiert eine Skimode mit aztekischem Design und Frau Steger schmückt sich mit einem dichtenden Dakota (der dafür schon bald auf Nimmerwiedersehen verschwindet);
Reiseveranstalter machen mit Indianerporträts Werbung für Amerika-Trips und dort machen Commercials mit diesen wiederum Werbung für naturbelassene Projekte; die originalgetreu nachgebauten Schiffe von Kolumbus landen 500 Jahre später zum zweiten Mal (in New York und sonstwo) und der Pabst segnet dafür das falsche Denkmal am der richtigen Stelle (und wird dafür von wahren Eigentümern der Erde, die er so gerne küßt, schwer getadelt);
esoterische weiße Frauen basteln an Schutzschildern, um böse Geister abzuwehren und Rigoberta Menchú Tum erhält den Friedensnobelpreis 1993 (im Namen des Erfinders, der die Austottung ihrer Stammesgenossen erst möglich machte) - die Indianer sind überall!

Und vor allem auf der Leinwand! Costner tanzte mit seinem "Wolf" voran und die anderen folgen im Rudel.
Zwei Filme versuchen sich bereits im Titel (CLEARCUT, Die Rache des Wolfes (1991) und SHADOW OF THE WOLF, Der Schatten des Wolfes (1992)) an den Erfolg anzuhängen. Hollywood entdeckt seine Native Americans.

DANCES WITH WOLVES (Der mit dem Wolf tanzt, 1990) markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Leinwandindianer. Costner hatte alle Schleusen geöffnet. Erst wollte keiner einen Pfifferling für die Wolfsgeschichte geben, danach standen sie alle Schlange. Was war passiert? Am Columbusjahr konnte es nicht liegen, denn dafür hätte ein Jubiläumsfilm wie Ridley Scotts Hochglanzwerk 1492 - CONQUEST OF PARADISE (Columbus 1492 - Die Eroberung des Paradieses, 1992) ausgereicht. Doch das wäre noch kein Grund für eine Lawine von Indianerfilmen gewesen. Trotzdem hing es mit dem Zeitpunkt zusammen.
Die Esoterikwelle hatte bereits Mitte der 80er Jahre die Medien erreicht, von der Zeitgeistpresse bis in die seriösen Feuilletons der Tageszeitungen erreicht. Aber erst jetzt war er zum Mainstream geworden. Jede Hausfrau hatte bereits Grundkenntnisse in Astrologie, und ließ ihre Wohnung nach den besten Schlafplätzen auspendeln. Selbst auf den politischen Seiten der Zeitungen war der Mainstream angelangt: mußten erst die Gewehre von Wounded Knee 1973 die Medien für die Probleme der Ureinwohner weltweit aufrütteln, konnten sich die Mohawks 1990 der Publizität sicher sein. Da kam Costner zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Der Boden für die Wirkung war vorbereitet, so daß ein solcher Film das große Publikum finden konnte.

BLACK ROBE (Black Robe, 1991) rekonstruiert authentisch den historischen Rahmen aus der Frühzeit (1634) des Zusammenstoßes der beiden so unterschiedlichen Kulturen. Praktisch besteht der Film aus lauter Oppositionen. So werden beispielsweise die riesigen gotischen Steinsäulen der Kathedralen Frankreichs den unendlichen Baumkathedralen der kanadischen Wälder gegenübergestellt. Die Gegensätze in den Weltbildern sind so unterschiedlich, daß jede Kultur die jeweils andere als dumm empfindet.

Doch auch bei Bruce Beresford gibt es die guten und die bösen Indianer, die Pater Laforgue und Daniel begleitenden Algonquins, und die sie überfallenden blutrünstigen Irokesen. Hauptmotiv von BLACK ROBE aber ist die generelle Zivilisationskritik, wie sie bereits seit der Aufklärung so beispielsweise in Daniel Defoes ROBINSON CRUSOE formuliert wurde. Daniel zieht immer mehr das indianische Leben vor, weil die scheinbar Wilden die besseren Christen sind, füreinander leben, alles miteinander teilen und frei sind von der Gier des weißen Mannes nach Besitz.

Heftig umstritten war CLEARCUT (1991, Die Rache des Wolfes) von Richard Bugajski. Graham Green spielt den militanten und rätselhaften Indianer Arthur, der sich nicht mit Demonstrationen gegen den Kahlschlag in den kanadischen Wäldern begnügt, sondern zur Waffe greift. Was die Indianerfreunde bereits bei BLACK ROBE von Bruce Beresford erschreckt ist neben der dargestellten Gewalttätigkeit das Auftreten einer neuen Stereotype vom Native American. Es gibt keine Unterscheidung mehr zwischen guten und bösen Indianern. Im anderen Umgang mit der Gewalt drückt sich nur ein anderer Umgang mit der Wirklichkeit aus. Arthur zieht dem entführten Geschäftsführer der Papierfabrik die Haut ab wie dieser es mit den Bäumen in seiner Fabrik macht. Und Floyd Red Crow Westerman erklärt Peter, dem entsetzten Rechtsanwalt der Umweltschützer, daß ja nur wahr geworden ist, was er bei der traditionellen Schwitzzeremonie erträumte. Besser läßt sich die zunehmende Künstlichkeit und Entfremdung der westlichen Kultur kaum ausdrücken.

Innerhalb dieses Spannungsbogens von Rekonstruktion historischer Begegnungen bis zur Darstellung politischer Konflikte der Gegenwart bewegen sich die Filme der 90er Jahre. Genauso unterschiedlich bleibt die Annäherung an die Kultur der Anderen. Während BLACK ROBE sich der bereits aus den 80er Jahren bekannten ethnologischen Perspektive bedient, geht CLEARCUT einen Schritt weiter. Hier wird die Annäherung des Rechtsanwaltes und Indianerfreundes Peter an die Indianer als das entlarvt, was sie ist und als Außenperspektive immer bleiben muß: reine Projektion.

 




9. SURVIVING COLUMBUS
Indianische Filme

"Die Wilden nehmen die Kamera selbst in die Hand" (FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 26.10.92) - solche Schlagzeilen beweisen das vorherrschende Unvermögen, sich Ureinwohner im Gebrauch von zivilisatorischen Errungenschaften vorstellen zu können.
Seit den 80er Jahren kann man sich auf Festivals ein Bild davon machen, wie die Native American People Filme und Videos einsetzen und gebrauchen. So wurde beispielsweise 1992 auf dem Münchner Filmfest den indianischen Filmemachern ein eigener Schwerpunkt unter dem Titel "Surviving Columbus" (dessen Programm auch im Rahmen der Ausstellung zu sehen ist).
Die Entwicklung, daß sich Native Americans den Mitteln der Traumfabrik bedienen, muß im Zusammenhang mit der Emanzipationsbewegung der letzten drei Jahrzehnte gesehen werden.

In den beiden Weltkriegen zahlten auch indianische G.I.s ihren Blutzoll. Aus ihren Veteranenverbänden entwickelte sich ein Nachkriegs-Panindianismus mit ersten kontinentalen Indianerverbänden, zu deren spektakulärste Aktivität 1967 die erfolgreiche Absetzung einer ABC-Serie über George Armstrong Custer gehörte. Wieder einmal war versucht worden, diesen Indianermörders par excellence als aufrechten Westmann zu glorifizierte.
Wiedererwachtes indianisches Selbstbewußtsein und "Red Power" im Zuge der Bürgerrechtsbewegung fanden ihren Ausdruck in erste Aktionen wie Fish-Ins, an denen sich auch weiße Sympathisanten wie engagierte Kirchenleute oder Künstler wie Paul Newman beteiligten.
Es formierten sich Basisbewegungen wie das 1968 unter anderem von Russell Means und Dennis Banks gegründete AIM (American Indian Movement). Ursprünglich als Schutzpatrouille nach dem Vorbild der "Black Panther" geplant, bekam diese Widerstandsbewegung aus Minneapolis bald kontinentale Bedeutung. Gefordert wurde vornehmlich die Erneuerung gebrochener Veträge und Wiedergutmachung, die Anerkennung von Fischerei- und Jagdrechten. Die spektakulärsten Aktionen von AIM waren 1969-71 die Besetzung von Alcatraz, 1972 der transkontinentale Sternmarsch TRAIL OF BROKEN TREATIES, sowie 1973 die Besetzung von Wounded Knee auf der Pine Ridge Reservation in Süddakota. Seitdem verlagerten sich die Aktivitäten von politischen Aktionismus hin zum Gebrauch iuristischer und völkerrechtlicher Mittel. Mit dem "Longest Walk" 1978 forderten sie bei der Carter-Administration alte Vertragsrechte ein und begannen mit dem Aufbau eines eigenen Schulsystems, den "Survival-Schools". Bei der UNO in Genf erreichten sie eine außenpolitische Vertretung mit Non-Gouvernment-Status und auf Heraings wie dem 4.Russel-Tribunal in Rotterdam suchten sie internationale Unterstützung.

Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Filme und Videos von Native Americans in erster Linie Dokumentationen sind, Dokumente einer geraubten Kultur und Geschichte, die von Landzerstörung, Völkermord und kulturellem Genozid durch Erziehung und Christianisierung handelt. Aber es sind auch Zeugnisse von Widerstand und neuem Bewußtsein, von traditionellen Riten und Lebensweisen, die Beispiele geben sollen für andere.
So sind sie mehr an der Verbessung der Realität als der Fiktion interessiert, weniger an der historischen Aufarbeitung der Indianerkriege, als an der Entwicklung einer eigenen Kultur unter Nichteinmischung der westlichen Filme.

Die neueren Produktionen aus den Jahren 1979 bis 1991, die das Programm "Surviving Columbus" im Rahmenprogramm zur Ausstellung bestreiten, repräsentieren diese beschriebenen Aspekte Indianischer Filme.

Die Rekonstruktion der Geschichte aus indianischer Sicht beginnt mit dem Auftauchen der weißen Eroberer. So berichtet George H. Burdeaus SURVIVING COLUMBUS (1990) von den ersten schockartigen Kontakten der Puebloindianer mit dem Konquistador Francisco Vazques Coronado (1540) und deren verheerenden Folgen.
Sie findet ihren traurigen Schlußpunkt in der letzten bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Weiß und Rot 1890, dem Massaker von Wounded Knee. WIPING THE TEARS OF SEVEN GENERATION (1991) zeigt, warum dieses indianischen My Lai für das neue Bewußtsein der Native Americans zu einem heiligen Datum geworden ist.

Dokumentationen des politischen Kampfes wie INCIDENT AT RESTIGOUCHE (1985) von Alanis Obomsawin machen deutlich, mit welcher Gewalt die Staatsorgane auf das Einklagen alter Rechte und traditioneller Lebensweisen reagieren.

Begleitet wird der politische Kampf nach außen von einem der Prozeß der inneren Reinigung. In THE HONOR OF ALL (1986) von Phil Lucas spielen die Leute vom Alkali Lake ihre eigene Geschichte, die bis vor kurzem noch durch Abhängigkeit vom Feuerwasser gekennzeichnet war. Irgendwann raffte sich die Frau des Häuptlings auf und begann das ganze Reservat trocken zu legen. Es ist erschütternd zu sehen, wie die Erinnerung daran die Stammesmitglieder heute noch emotional mitnimmt.

IN THE HEART OF BIG MOUNTAIN (1989) begleitet Sandra Osawa eine Navajo-Frau, die Hüterin des Heiligen Bündels und damit Beschützerin des Landes ist. Dies ist eine Einführung in die reiche Tradition des Navajo-Volkes und ihr spirituelles Verhältnis zur Mutter Erde.

Zukunftweisend in seiner Verbindung von modernen Leben und alten Traditionen ist
A VOYAGE OF REDISCOVERY (1991). Erzählt wird die Geschichte des Indianers Frank Brown, der im Gefolge von Alkohol und Drogen auf die schiefe Bahn gerät. Doch auf Vorschlag seines Stammes und mit Unterstützung eines weißen Richters wird ihm die Möglichkeit gegeben, seine Verfehlungen nach den alten Ritualen des Stammes zu sühnen.Bereits zu größerer Bekanntheit auch bei uns ist der Hopi Victor Masayesva gelangt. Mit Produktionen wie ITAM HAKIM HOPIIT (1985) bemüht er sich auch auf der filmischen Ebene um eine Verbindung zwischen den kulturellen und spirituellen Traditionen seines Volkes und den Ausdrucksformen der Neuen Medien.

Der Film zum Thema ist Phil Lucas´ TV-Serie IMAGES OF INDIANS (1979 - 1981), in der Will Sampson anhand von Ausschnitten aus der Filmgeschichte Stereotypen des Indianerbildes im Hollywood-Kino vorführt und bekannte indianische Persönlichkeiten interviewt.



10. NUR STÄMME WERDEN ÜBERLEBEN
SCHLUSSBEMERKUNGEN

Die Auseinandersetzung mit dem Bild des Indianers auf der vor allem von Hollywood beherrschten Leinwand im Kontext der historischen Entwicklung hat gezeigt, daß es sich dabei vornehmlich um Projektionen handelt. Das Bild vom Noblen Wilden soll Verluste und Defizite der eigenen Kultur sublimieren. Die Verteufelung vom blutrünstigen Wilden war funktionalisiert worden für nationale und internationale Konflikte. Die Darstellung indianischer Kultur war benutzt worden zum Entwurf utopischer Modelle.
In der Zusammenschau aber ergibt diese Auseinandersetzung mit dem Leinwandindianer einen hochaktuellen Bezug. Es geht um den Umgang mit einer fremden Kultur und das Verstehen des Anderen. Das Bild vom Indianer war geprägt von zwei extremen Standpunkten. Die Darstellung der Verschiedenheit führte zum Gefühl der Überlegenheit, zu Ablehnung und Haß, die in der Geschichte ihre Entsprechung in Völkermord und bis heute anhaltender Landnahme fanden. Die Darstellung der Gleichheit und Herstellung von Identität führten dagegen zu Romantisierung und Kritik an der eigenen Zivilisation und Kultur. Beiden gemeinsam ist die Reduzierung der anderen Kultur auf den Objektstatus und damit letzlich die Vereinnahmung in die westlich geprägte Welt. Die Anerkennung als Subjekt, die Entdeckung des Anderen oder "den Unterschied in der Gleichheit leben" (*), das könnte eine Chance sein, in einer Welt die Zukunft zu gestalten, die seit der Entdeckung Kolumbus sehr klein geworden ist.

(*) wie es Tzvetan Todorov in "Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen", Frankfurt a. Main 1985 formuliert



 

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